Aneurin
„Y Gododdin“
Die Funktion der Barden an den königlichen Höfen beschreibt Geoffrey Ashe sehr treffend: „In Friedenszeiten genossen die Könige die moralische Unterstützung durch ihre Hofbarden. […] Ihre Dichtungen, die zu Musik gesungen wurden, verherrlichten ihre königlichen Herren und erfüllten damit eine Aufgabe, die man heute als „Öffentlichkeitsarbeit“ bezeichnen würde, das heißt, sie pflegten das Image des Königs als eines Mannes edelster Abstammung, erfahren in den Kriegskünsten, großzügig und so weiter.“ [1]
Weiter schreibt G. Ashe: „Durch die Dichtungen der Barden, ihre mündlichen Erzählungen und die dadurch bewirkte Popularisierung nahm der „Arthur der Waliser“ Gestalt an. Sein geschichtlicher Kern bestand aus den überlieferten Namen von Schlachten, deshalb machten ihn die Barden auch in erster Linie zu einem Krieger.“ [2]
Einer der großen walisischen Barden jener Zeit war Aneurin (Aneirin). Er schrieb um 600 die Elegie** (Klagelied) „Y Gododdin“, in welcher er von einer Schlacht erzählt, in der sich Krieger des Stammes der Gododdin (im Raum des heutigen Edinburgh) gegen angreifende Sachsen bei Catraeth (Catterick, North Yorkshire) erwehren mussten. Die Schlacht war eine Katastrophe, denn von den zahlenmäßig unterlegenen 300 Kriegern Gododdins überlebte gerade mal eine Handvoll Männer, unter denen auch der Verfasser des Liedes war. Wahrscheinlich war Aneurin selbst ein Angehöriger des Stammes der Gododdin, der das Heer begleitete oder sogar am Kampf beteiligt war. Auf jeden Fall aber wird er Zeuge des Geschehens gewesen sein.[3]
Das Gododdin ist nur in einer Schrift aus dem 13. Jahrhundert erhalten geblieben. Etwa vorhandene schriftliche
Überlieferungen aus der Zeit vorher existieren nicht mehr. Genau genommen besteht das Lied aus mehreren Elegien, die alle unter dem Namen Gododdin zusammengefasst wurden. Es wurde in einer
bildreichen, kraftvollen Sprache geschrieben.
Wir finden im Gododdin die erste namentliche Erwähnung König Arthurs. G. Ashe zitiert: „Aneirin sagt, ein Krieger namens Gwawrddur habe „auf der Festungsmauer schwarze Raben gefressen,
obwohl er nicht Arthur war.“ „Raben fressen“ war eine der üblichen Floskeln für das Töten von Feinden. Die Worte scheinen zu bedeuten, dass Gwawrddur, obwohl er nicht Arthur war, ein ebenso guter
„Rabenfresser“ gewesen sei. Der Name Arthur war sprichwörtlich für Heldenhaftigkeit im Kampf geworden.“ [4]
Geoffrey Ashe präsentiert uns einen Auszug aus Aneurins Elegie:
„Männer zogen nach Catraeth, sie waren berühmt,
Wein und Met aus goldenen Bechern tranken sie
Ein Jahr in edler Zeremonie…
Männer zogen nach Catraeth mit Feldgeschrei,
Feurigen Rössern und dunkler Rüstung und Schilden,
Hocherhobenen Speerschaften und scharfen Speerspitzen
Und funkelndem Harnisch und Schwertern.
Er führte sie an, er stieß durch Armeen,
Fünf Kompanien fielen vor seinen Klingen.
Rhufawn Hir gab Gold für den Altar
Und eine reiche Belohnung dem Barden…
Krieger erhoben sich gemeinsam, schlossen ihre Reihen,
Eines Sinnes griffen sie an.
Kurz war ihr Leben, lang vermisst sie ihre Sippe.
Das Siebenfache ihrer Zahl an Engländern* schlugen sie:
Ihr Kämpfen machte Frauen zu Witwen;
manch eine Mutter hatte Tränen in den Augen…
Elend bin ich, meine Kraft ist geschwunden,
Ich leide Todesqualen in Angst,
Und was noch schlimmer ist, der tiefe Schmerz,
Unsere Krieger fallen zu sehen.
Lang dauert das Klagen und Trauern
Um die tapferen Soldaten des Landes…
Mag ihre Seele nach der Schlacht
Im himmlischen Land des Überflusses willkommen sein.“ [5]
*Mit „Engländern“ sind in dieser Übersetzung offenbar Sachsen oder Angeln gemeint. Man muss
bedenken, dass der Text im 13. Jahrhundert aufgeschrieben wurde.
** „Die mit Abstand bedeutendste lyrische Gattung der altenglischen Dichtung ist die Elegie. Dieser Seitenzweig des höfischen Preisliedes ist nur in der altenglischen Literatur vertreten.“
[6]
Eine Übersetzung des Gododdin ins Englische von Joseph
Clancy findet man auf dieser Internetseite, die man sich ins Deutsche übersetzen lassen kann:
http://www.missgien.net/celtic/gododdin/index.html
Taliesin
"Taliesin war eine sowohl historische als auch mythologische Gestalt. Als historische Persönlichkeit ist er als Barde des Königs
Urien von Rheged belegt. Dies bezeugen drei Gedichte auf Urien und seinen Sohn Owain.
Das „Book of Talisien“ von Geoffrey von Monmouth aus dem 13. Jahrhundert enthält dagegen Gedichte und Texte, die dem mythologischen Talisien zuzuschreiben sind, darunter die Artus-Legende "Preiddeu
Annwfn - Die Beraubung der Unterwelt". (siehe Keltischer Kessel)
Taliesin wird in zwei Erzählungen des Mabinogion erwähnt, und zwar in „Branwen, die Tochter des Llyr“ und in „Culhwch und Olwen“, in welcher er ein Gefolgsmann von König Arthur ist. Bei Nennius ist Taliesin der „weise Mann“*, der als Ratgeber hinzugezogen wird, als Vortigern einen Turm errichten will, der beim Bau immer wieder einstürzt. Dieser wird später bei Geoffrey zu Merlin und im weiteren zunehmend mit märchenhaften Zügen ausgekleidet".[7]
* nach Hetmann: der vaterlose Jüngling Taliesin (1982, S. 251)
[1] Geoffrey Ashe (1986, S. 150 f.)
[2] Geoffrey Ashe (1986, S. 151)
[3] vgl. Geoffrey Ashe (1986, S. 152)
[4] Geoffrey Ashe (1986, S. 152)
[5] Geoffrey Ashe (1986, S. 153)
[6] Walter F. Schirmer (1983, S. 32)
[7] vgl. S. und P. Botheroyd (1992, S. 230)