Der literarisch-historische Ursprung der Artussage
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Erzählung

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Das römische Britannien und der historische Artus/ Dark Ages

Seit wann die britannische Insel von keltisch sprechenden Völkern besiedelt war, lässt sich weder archäologisch noch aus sprachwissenschaftlicher Sicht eindeutig belegen. Es wird vermutet, dass zwischen 2000 und 1200 v.u.Z. indogermanische Völker dort heimisch wurden. Genauso wie die germanischen Völker waren auch die keltischen Stämme keine politische Einheit. Sie waren verbunden durch kulturelle und religiöse Gemeinsamkeiten, lagen aber – ebenfalls wie die Germanen – zu einem großen Teil ständig in Fehde untereinander.

In den Jahren 52 und 54 v.u.Z. wagte Caesar erste Eroberungsversuche in Britannien. Während seines zweiten Feldzuges im Jahr 52 v.u.Z. stieß er auf heftigen Widerstand durch den britannischen Häuptling Cassivelaunus, der als Heerführer an der Spitze einiger verbündeter Stämme stand. Obwohl dieser mehrfach Krieg gegen andere Stämme führte, hatten die Britannier dem „König“ (Stammeshäuptlinge wurden gemeinhin als Könige bezeichnet) unter dem Druck dieser Bedrohung von außen die oberste Kriegsleitung übertragen.
Caesar macht keine Angaben, von welchem Stamm Cassivelaunus stammt. Er ist der erste namentlich genannte Britannier in den Werken der damaligen Geschichtsschreiber. Als ersten historisch belegten Herrscher Britanniens erwähnt Caesar ihn in seinem Werk „De Bello Gallico“. Auch im Mabinogion, in den walisischen Triaden und in Geoffrey von Monmouth‘ „Geschichte der Könige Britanniens“ wird er erwähnt als Caswallawn oder Caswallon.
Nachdem Cassivellaunus mit seinen Truppen die römischen Legionen zunächst in Guerillakämpfen aufgerieben hatte, unterlagen die Kelten am Ende dennoch und unterwarfen sich.


[…] „Bei dieser eigentümlichen Art des Kampfes, der sich unter den Augen aller und vor dem Lager abspielte, erkannte man, dass unsere Leute ihrer schweren Rüstung wegen einem solchen Feind nicht recht gewachsen waren, denn die Flüchtigen konnten sie nicht verfolgen, und von ihren Feldzeichen wagten sie sich nicht zu entfernen; aber auch die Reitertreffen waren für unsere Leute sehr gefährlich, weil sich die Feinde gar oft mit Vorbedacht zurückzogen und, wenn die unsrigen sich von den Legionen etwas entfernt hatten, von ihren Streitwagen herabsprangen und zu Fuß einen ungleichen Kampf anfingen. Die Art also, nach der ihre Reiter zu fechten pflegten, war für uns, wir mochten fliehen oder nachsetzen, beidemal ganz gleich gefährlich. Hinzu kam noch, dass sie nie in einer geschlossenen Front, sondern nur in lockeren Gruppen und mit großen Zwischenräumen kämpften und sich korpsweise so aufstellten, dass sie einander der Reihe nach ablösen konnten und frische und unermüdete Kämpfer statt der erschöpften anrückten.“ […]


 Gaius Julius Caesar, „De bello Gallico“, 5,16

 

Caesar gelang es trotz einiger großer Siege nicht, Britannien zu unterwerfen und in das Römische Reich einzugliedern. Obgleich in Rom großartig gefeiert, hatten sich Caesars Feldzüge für Rom nicht gelohnt. Es ist nicht einmal nachvollziehbar, ob der von ihm mit den Britanniern vereinbarte Tribut jemals gezahlt wurde. Noch Jahrhunderte später äußerte sich ein anderer großer Feldherr, Napoleon I, über Caesars Feldzüge in Britannien, die er für „voreilig und misslungen“ hielt: „Die Römer waren jetzt sowenig Herren des Landes wie zuvor.“

 

Den Britanniern war noch fast ein Jahrhundert lang Ruhe vor Angriffen vom Kontinent gegönnt, bis im Jahr 43 u.Z. Kaiser Claudius (reg. 41-54) vier Legionen über den Ärmelkanal schickte. Schnell konnten die Machtzentren der größeren, mächtigeren Stämme eingenommen werden, war man doch bereits mit den Kriegstaktiken der Inselkelten vertraut. Nach einigen siegreichen Schlachten setzte Kaiser Claudius höchstpersönlich auf die Insel über, vollzog die Unterwerfung der keltischen Stämme und machte Britannien zur römischen Provinz. Londinium (London) wurde kurz nach seiner Gründung Provinzhauptstadt.
Leicht hatten es die Römer mit den Britanniern dennoch nicht.
Sie waren bereits vertraut mit den aus römischer Sicht außerordentlichen Sitten und Gebräuchen, wie z.B. die Alleinherrschaft von Frauen über einzelne keltische Stämme, die auch hervorragende Kriegerinnen hervorbrachten. Sie waren an den Anblick nackter, tätowierter Kämpfer gewöhnt und begriffen, dass die Druiden nicht nur für religiöse Riten zuständig waren, sondern zugleich als Kriegstreiber und Organisatoren des Widerstandes hervortraten. Doch wann immer sie sich der „Freundschaft“ eines Stammes sicher glaubten, kam es in selbigen oder anderen wiederum zu heftigen Widerständen. Die Römer schlugen brutal zurück. Im Jahre 60 kam es zu einem verheerenden, grausamen Schlag gegen das vermeintliche Machtzentrun der Druiden auf der Insel Mona (heute Anglesey). Der Geschichtsschreiber Tacitus berichtete detailliert:

 

„Am Strand war das gegnerische Heer zum Kampf aufgestellt, in dichter Linie Mann neben Mann. Dazwischen rannten die Frauen hin und her, die gleich Furien, im Leichengewand und mir fliegenden Haaren, Fackeln trugen. Ringsum standen die Druiden, schreckliche Verwünschungen ausstoßend, die Hände zum Himmel erhoben. Dieser ungewohnte Anblick versetzte die Soldaten so sehr in Schrecken, dass sie, wie gelähmt, ohne sich zu rühren, auf sich einhauen ließen und erst, als der Heerführer sie ermahnte und sie auch sich selbst Mut zusprachen, doch nicht vor einem rasenden Weiberhaufen zu zittern, zum Angriff antraten. Sie warfen, wer sich ihnen in den Weg stellte, nieder und trieben die Feinde in das Feuer der Fackeln. Nachher wurde auf die besiegte Insel eine Besatzung gelegt; die einem wilden Aberglauben geweihten Haine wurden umgehauen. Denn es war bei ihnen heiliger Brauch, mit dem Blut der Gefangenen die Altäre zu besprengen und aus menschlichen Eingeweiden den Willen der Götter zu erkunden.“

Tacitus, Annalen, Buch 14,30

 

Im Jahr 43 lieferte ein gewisser Caractacus Kaiser Claudius ein weiters Mal einen zwingenden Grund für einen Feldzug nach Britannien. Der Kaiser schickte Aulus Plautius und vier Legionen, um Britannien endgültig zu unterwerfen. Caractacus war einer der mächtigsten Könige im südlichen Britannien mit Sitz in Camuludunum. Nach schweren, verlustreichen Kämpfen unterlag er der römischen Übermacht. Erst im Jahr 51 wird Caractacus wieder als Fürst der Silurer in den Quellen erwähnt, trotz seiner Niederlagen noch immer erfolgreich im lokalen Guerillakrieg gegen die Römer. Als er sich noch einmal auf eine größere Schlacht einließ, unterlag er abermals und seine Frau sowie seine Töchter gerieten in Gefangenschaft der Römer. Caractacus flüchtete in den Norden zum Stamm der Briganten, dessen romtreue Königin Catimandua ihn jedoch alles andere als willkommen hieß. In Ketten gelegt lieferte sie ihn an die Römer aus. Caractacus und seine Familie sollen im Triumphzug durch Rom geführt worden sein, wo es ihm durch sein würdiges Auftreten und einer dem Kaiser imponierenden Rede gelang, die Freiheit zurück zu erhalten. 
Dazu schreibt Cassius Dio: "Caractacus, ein barbarischer Häuptling, der gefangen genommen und nach Rom gebracht und später von Claudius begnadigt wurde, wanderte nach seiner Befreiung durch die Stadt; und nachdem er ihre Pracht und Größe gesehen hatte, rief er aus: "Und können sie dann, die solche Besitztümer und so viele von ihnen haben, unsere armen Zelte begehren?" (Cassius Dio 61, 33, 3c)


Mit Cartimandua erfahren wir zum ersten Mal von einer namentlich genannten keltischen Königin, was wir dem persönlichen Interesse des Historikers Tacitus zu verdanken haben. Sie war Herrscherin der Briganten und führte einen Verbund keltischer Stämme an, die fast den gesamten Norden Britanniens besiedelten. Als Herrscherin eines der britannischen Stämme, die sich schon sehr früh den Römern unterwarfen, arrangierte sie sich mit den Okkupatoren, um Ihre Macht und ihr Reich zu sichern. Später überwarf sie sich mit ihrem Ehemann Venutius, der aus einem der Teilstämme der Briganten stammte und zunächst ebenfalls Rom gegenüber loyal war. Dieser Ehestreit entwickelte sich offenbar zu einem Politikum, weitete sich auf die Brigantenstämme aus und endete in einem Bürgerkrieg, als Cartimandua nicht nur Verwandte ihres Ehemanns gefangen nahm, sondern sich einen neuen Ehemann zum Mitregenten wählte. Rom unterstützte ihren Kampf mit einer ganzen Legion, woraufhin Venetius zum Gegner Roms wurde. Im Jahr 69 fand sich für Venutius die Gelegenheit, sich an Cartimandua zu rächen. Er besiegte ihre Truppen und wechselte an die Spitze der Briganten. Cartimandua starb in diesem Jahr. Weiteres ist nicht bekannt.
Sie findet Erwähnung in den Walisischen Triaden* als Aregwedd Foeddawg – Verräterkönigin.

 

Tacitus berichtet wie folgt:
Bei dieser Zwietracht und den zahlreichen Gerüchten, die über den Bürgerkrieg umgingen, erhoben die Britannier ihr Haupt auf Anstiften von Venutius, der, abgesehen von der angeborenen Wildheit und dem Hass gegen den römischen Namen, noch durch persönlichen Groll gegen die Königin Cartumandua aufgestachelt wurde. Cartumandua war die Herrscherin über die Briganten und übte auf Grund ihrer vornehmen Abstammung einen großen Einfluss aus. Auch hatte sie noch ihre Macht verstärkt, seitdem sie den König Caractacus durch List in ihre Hand gebracht hatte und sich den Anschein gab, als ob sie dadurch Claudius Cäsar den Triumph verschafft habe. So kam sie zu Reichtum und trieb einen ausschweifenden Missbrauch mit ihrem Glück. Sie verstieß Venutius – dies war ihr Mann – heiratete den Schildträger Vellocatus und setzte ihn auf den Thron. Diese üble Handlung erschütterte sogleich ihr Haus. Auf der Seite ihres Mannes stand die Gunst der Bürgerschaft, auf der Seite des Ehebrechers die wilde Leidenschaft der Königin. Und so rief denn Venutius Hilfstruppen herbei und, da zugleich die Briganten selbst abfielen, brachte er Cartimandua in äußerste Gefahr. Da bat sie die Römer um Waffenschutz. Es kam zu wechselvollen Kämpfen mit unseren Kohorten und Reiterabteilungen. Jedoch entrissen sie der Königin der persönlichen Gefährdung. Der Thron blieb dem Venutius – und uns der Krieg.

 

Historien III, 45

 

Im Jahr 60/61 mussten sich die Römer einem Aufstand stellen, der sie bis an den Rand der Niederlage bringen sollte. Im bis dahin loyalen Stamm der Icener brach die Hölle los, als ihr wegen seines Reichtums berühmter König Prasutagus verstarb. In dem Glauben, seinen Nachkommen und seinem Stamm damit das Wohlwollen der Römer zu sichern, setzte er sowohl seine beiden Töchter als auch Rom als Erben ein. Doch wieder einmal missbrauchten die Römer ihre Macht ohne die fatalen Folgen zu bedenken. Sie marschierten in das Stammesgebiet der Icener ein und verwüsteten es. Prasutagus Frau Boudicca wurde ausgepeitscht, ihre beiden Töchter vergewaltigt.
Sie hatten nicht mit der verheerenden Wut der keltischen Königswitwe gerechnet! Boudicca verbündete sich mit anderen Stämmen und organisierte einen Aufstand nie dagewesenen Ausmaßes. Sich den Römern zu unterwerfen und Loyalität mit der Übermacht zu bekunden, täuschte nicht darüber hinweg, dass den Britanniern die Römer verhasst waren und sie deren Ausbeutung nur duldeten, solange sich kein anderer Ausweg bot. Doch hier ergriffen die Stämme eine weitere Chance. Ihnen waren die römischen Veteranen verhasst, welche in Camulodunum, Londinium und anderen Siedlungen die keltischen Einwohner aus ihren Häusern vertrieben und von ihren Feldern gejagt hatten. In ihrem verzweifelten Zorn stürmten die Kelten diese Siedlungen sowie die Siedlung Verulamium, die drittgrößte Stadt des römischen Britannien, plünderten sie aus töteten laut Tacitus 70000 römische Bürger und romanisierte Einwohner und wüteten auf grausamste Weise unter den Bewohnern. Es kam sogar dazu, dass die Römer die Hauptstadt Londinium aufgaben.

 

Tacitus legt Boudicca folgende Worte in einer fiktiven Rede in den Mund:
Boudicca, die ihre Töchter auf dem Wagen vor sich herführte, begab sich von Stamm zu Stamm und beteuerte, es sei nichts Ungewöhnliches bei den Britanniern, unter weiblicher Führung zu kämpfen; aber jetzt verteidige sie nicht als Spross so hoher Ahnen ihren Thron und ihren Besitz, sondern als eine Frau aus dem Volke übe sie Rache für den Verlust der Freiheit, für die körperlichen Misshandlungen und die geschändete Keuschheit ihrer Töchter. So weit sei es mit den Gelüsten der Römer gekommen, dass keine Person vor ihnen sicher sei und sie sich sogar an alten Frauen und keuschen Mädchen vergehen. Jedoch stünden die Götter den gerechten Rächern zur Seite: vernichtet sei die Legion, die die Schlacht gewagt habe, während die übrigen sich ihn ihren Lagern verstecken oder sich nach einer Möglichkeit zur Flucht umschauen. Nicht einmal das brausende Kriegsgeschrei so vieler Tausender, geschweige denn ihren Ansturm und den Kampf Mann gegen Mann würden sie ertragen. Wenn sie die Menge der Kämpfer, die Gründe für den Krieg sich vor Augen halten, so gebe es keine andere Wahl, als in dieser Schlacht zu siegen oder zu fallen. Dazu sei sie als Frau entschlossen.


Tacitus, Annalen 14,35,1-2

 

Und Cassius Dio lässt sie folgendes sagen, das uns Aufschluss über die damaligen Zustände unter den Römern gibt:

62,1

Während man in Rom diese Possen trieb, begab sich in Britannien ein schrecklicher Unfall: Zwei Städte wurden zerstört, 80 000 Römer und Bundesgenossen kamen dabei um und die Insel selbst ging verloren. Alles dies geschah, um die Niederlage für die Römer desto schmählicher zu machen, durch eine Frau und wurde ihnen im Voraus angekündigt. […]

 

62,2

[…] 2 Am meisten aber regte sie auf und trieb sie zum Krieg gegen die Römer Boudicca, eine Britannierin, die man der Herrschaft gewürdigt und mit der Führung des Heeres beauftragt hatte. Sie stammte aus königlichem Geschlecht und war höheren Sinnes, als man von einer Frau erwarten konnte. 3 Diese sammelte ein Heer von etwa 120 000 Mann und bestieg sodann eine Bühne, die nach Art der Römer aus Erde aufgetürmt war. Sie war von sehr hohem Wuchs, schrecklich im Ansehen und von durchdringendem Blicke. 4 Ihre Stimme war rau, ihr blondes Haar in solcher Fülle, dass es ihr bis über die Hüften hinabfiel. Um den Hals trug sie eine große goldene Kette [Torques?, Anm. Sp] und über den Leib ein vielfarbiges, weites Unterkleid, über das sie einen dichten Kriegsmantel mit einer Fibel befestigt hatte. So war sie immer angezogen, jetzt aber schwang sie noch eine Lanze in der Hand, wodurch sie alles in Schrecken setzte und ließ sich folgender Maßen vernehmen:

 

62,3

„Ihr habt nun durch die Tat erfahren, welcher Unterschied zwischen Freiheit und Knechtschaft ist. Wenn bisher einiger unter euch aus Mangel an besserer Einsicht durch frühere Versprechungen der Römer sich täuschen ließen, so seht ihr denn jetzt, nachdem ihr beides aus Erfahrung kennengelernt habt, ein, wir unrecht ihr daran tatet, dass ihr fremder Herrschaft vor der vaterländischen Lebensweise den Vorzug gabt. Ihr habt jetzt die Einsicht erlangt, welchen Vorzug Armut mit Freiheit vor Reichtum und Knechtschaft verdiene. 2 Welche Schmach, welche Leiden haben wir nicht erduldet, seit diese Fremdlinge unser Britannien erobert haben! Sind wir nicht unserer meisten und größten Besitzungen völlig verlustig gegangen und für das wenige Verbliebene zinsbar geworden? 3 Müssen wir nicht außerdem, dass wir das Vieh für sie weiden und die Äcker für sie bestellen, für unsere Leiber noch jährlich Steuer entrichten? Wäre es nicht viel besser, wir hätten einmal uns als Sklaven verkauft, als dass wir mit dem leeren Namen der Freiheit uns Jahr für Jahr aufs Neue loskaufen müssen? Wäre es nicht besser, wir wären hingewürgt und hingeschlachtet worden, als dass wir als zinsbare Köpfe umhergehen? Doch, was spreche ich hiervon? 4 Nicht einmal sterben dürfen wir unbesteuert! Selbst die Toten müssen ja noch versteuert werden! Sonst macht doch in aller Welt der Tod die Sklaverei frei, nur für die Römer leben die Toten noch fort, um ihre Beutel zu füllen. 5 Hat einer von uns kein Geld (und wie und woher sollten wir solches haben?) – werden wir da nicht geplündert und ausgezogen, wie solche, die dem Henker verfallen sind? Welche Schonung haben wir für die Zukunft zu erwarten, da wir schon gleich anfangs, wo man doch selbst neu gefangene wilde Tiere durch Milde zu besänftigen sucht, so schonungslos behandelt werden?

Diese Textstelle gibt uns Aufschluss über das Wesen der Kelten und belegt, mit welchen Schwierigkeiten die Römer im Kampf gegen die Einheimischen zu kämpfen hatten:

 

62,5

4 Sie können ihrer schweren Rüstungen wegen uns weder verfolgen noch entfliehen. Entrinnen sie auch, so fliehen sie nur an Orte, die man ihnen zeigt, und werden hier, wie in Marderfallen, eingeschlossen. 5 In diesen Dingen sind sie gegen uns bei weitem im Nachteil, und auch darin, dass sie nicht wie wir Hunger und Durst, Frost und Hitze ertragen, dass sie Schatten und Obdach suchen, nicht ohne Wein und Öl auskommen und ohne eines dieser Bedürfnisse nicht bestehen können. Uns ist jedes Kraut, jede Wurzel Nahrungsmittel; unser Öl jeder Saft; unser Wein jedes Wasser. 6 Jeder Baum ist unser Haus! Uns ist jeder Ort befreundet und kämpft für uns, ihnen alles umher unbekannt und feindlich. Wir schwimmen nackt über jeden Fluss, sie aber haben Mühe, selbst mir Fahrzeugen hinüberzukommen. So lasst uns ihnen dann mit Zuversicht und sicherem Erfolg zu Leibe gehen! Zeigen wir ihnen, dass sie, nur Hasen und Füchse, über Doggen und Wölfe herrschen wollen!“


Und dennoch: Wieder einmal unterlagen die Kelten der Übermacht der Römer, und Britannien sollte bis ins 5. Jahrhundert Provinz bleiben.

 

Zwanzig Jahre nach dem Aufstand der Boudicca sah sich der römische Stadthalter Agricola (40-93) genötigt, massiv gegen die Stämme im Norden – Scoten und Pikten – vorzugehen, die immer wieder Überfälle ins römische Britanniern unternahmen. Der sogenannte Antoniuswall, eine Holz-Erde-Befestigung von vier Metern Höhe, der ca. Mitte des 2. Jahrhunderts erbaut, jedoch nicht lange genutzt und wieder verlassen wurde. Erst mit der Erbauung des Hadrianswalls, den Kaiser Hadrian (reg. 117-138) 122 anliegen ließ, wurden Britannien fast 300 Jahre lang vor Überfällen aus dem Norden geschützt. Der aus Stein gebaute Wall bestand aus einem umfangreichen System von 5 Metern Höhe mit Mauern, Wällen, Gräben, Wachttürmen und Kastellen.

 

„Die Britannier südlich des Hadrianswalls akzeptierten letztendlich die Herrschaft des römischen Kaisers und wurden ein Teil seines Weltreichs. […] Britannien prägten über Jahrhunderte militärische und zivile Strukturen: diverse Militärlager für Legionen, Hilfstruppen (auxilia) bis hin zu Kleinkastellen und Stignalstationen; die großen Landwirtschaftsgehöfte der Villen (villae), die Siedlungen der Veteranen (coloniae) sowie größere Landstädte (municipia), außerdem die Hauptstädte der Stämme (civitates), wo die romanisierte britannische Bevölkerung lebte und wo in den größeren Städten Forum und Basilica (Markthalle) nebst Bädern, Wasserleitungen und anderem mehr für die charakteristische römische Urbanität sorgten. Zu diesen Siedlungen gehörten unter anderem Canterbury, Winchester, Chichester und Silchester. Überlandstraßen, an denen zumeist Tempel und Grabstätten lagen, zogen sich durch die ganze Provinz und sind zum Teil bis heute in ihrem Verlauf erkennbar. Inschriften kündeten vom Gebrauch der lateinischen Sprache, neben der mal mehr, mal weniger häufig auch keltisch gesprochen wurde. Münzen zeugten von einem effizienten und ertragreichen Finanz- und Wirtschaftssystem – zeitweise galt Britannien sogar als Kornkammer des Römischen Reiches, für sein Vieh war es ohnehin berühmt. Als bedeutendste Legionslager blieben York (Eburacum) im Norden sowie Chester (Deva) und Caerleon (Isca Silurum) im Westen bestehen, wobei letzteres noch in der Artuswelt eine Rolle spielte. Aber unter der römischen Oberfläche pflegten die Britannier weiterhin Teile ihres keltischen Erbes, wie den Gebrauch ihrer Sprache, die Verehrung alter Gottheiten und die Verwendung latènezeitlicher Schmuckornamente. Sie sahen darin keinen Widerspruch, und die Römer tolerierten Sonderwege innerhalb des Imperiums, solange ihre Herrschaft unangetastet blieb.“ [1]

 

Im 4. Jahrhundert begann das Römische Reich zu bröckeln. Wirtschaftskrisen und kaiserliche Machtkämpfte, sowie die Abwehr plündernder Germanenstämme wie die Goten und Franken schwächten das Imperium. Das Römische Reich befand sich bereits in der Epoche der Völkerwanderungszeit (375-568).
Wie andere römische Provinzen auch war Britannien durch den Abzug von Truppen zunehmend schutzlos den Überfällen fremder Völkerscharen ausgesetzt.
Schon bevor die Römer um 410 die Insel aufgegeben haben, gab es Lücken in der Verteidigung. Dass Britannien mehrfach schutzlos zurückgelassen wurde, ist vor allem auch den Eitelkeiten selbst ernannter Kaiser zuzuschreiben. Zwischen 200 und 400 ließen sich in Britannien diverse römische Militärführer zum Kaiser ausrufen.

 

209 Kaiser Septimus Severus,  greift die Pikten und Maeaten (im Osten des heutigen Schottlands) an, weil diese immer wieder in Britannien einfielen. Er starb 211 in York.

Die selbsternannten Kaiser:

286 -293 Carausius, Feldherr, Flottenführer, veruntreute Beute und Gelder, die römisches Eigentum waren und wurde deshalb zum Tode verurteilt. Er setzte sich nach Britannien ab und ließ sich dort von seinen Soldaten zum Kaiser ausrufen. Er wurde 293 von seinem obersten Finanzverwalter ermordet.

306 bis 337 Konstantin der Große, wurde in York zum Kaiser ausgerufen.

383 – 388 Magnus Maximus Ein Berufssoldat aus armer Familie, der sich bis zum Oberbefehlshaber aller Legionen auf der Insel hochgedient hat. Er besiegt den rechtmäßigen Kaiser Gratian auf dem Festland und schafft es, fünf Jahre lang in Trier zu regieren. Er fällt in einer Schlacht und kehrt nicht nach Britannien zurück.

406 und 407 wurden Marcus und Gratian jeweils zum Kaiser ausgerufen, die beide nach wenigen Monaten wieder abgesetzt und ermordet wurden.

407 – 411 Konstantin (III.), ließ sich im Jahr 407 in Britannien von seinen Truppen zum römischen Kaiser ausrufen. Einige Autoren im Mittelalter machten ihn zum Vater oder Onkel von Uther Pendragon und zum Großvater von König Artus.
408 zog Konstantin mit seinen Legionen auf das Festland, um sich dort mit Kaiser Honorius (reg. 395-423), dem legitimen weströmischen Kaiser in Ravenna, ein Machtduell zu liefern. Er hatte nur einen unbedingt notwendigen Teil an Garnisionstruppen auf der Insel zurückgelassen. Pikten, Scoten und Sachsen erkannten schnell die Lage des geschwächten Britannien und fielen im Grenzland südlich des Hadrianswalls erneut über das Land und seine Bewohner her.

Konstantin hingegen erlitt nach langen Jahren der Kämpfe auf dem Kontinent eine entscheidende Niederlage und wurde 411 hingerichtet.
Weder Truppen noch selbsternannte Kaiser kehrten jemals nach Britannien zurück.

Die Britannier indessen waren verzweifelt aufgrund der Einfälle der Sachsen, Pikten und Scoten, die Krieg und Verwüstung über ihr Land brachten. Im Jahr 448, das nach Ansicht anderer Historiker das eigentliche Jahr war, in dem Rom die Provinz Britannien endgültig aufgab, sandten sie noch einmal eine Delegation nach Rom.
Gildas schildert die Not seiner Landsleute so:
„Aufgrund der Angriffe und der schrecklichen Verwüstungen schickte Britannien Gesandte nach Rom, die unter Tränen um die Entsendung einer bewaffneten Schutztruppe baten und dafür eine unverbrüchliche und von ganzem Herzen kommende Unterwerfung unter die römische Herrschaft versprachen, wenn es nur gelänge, die Feine in größerem Abstand zu halten.“
Doch ihr Hilfegesuch blieb unerhört.

 

„Zosimos zufolge nahm also die römisch-keltische Provinzbevölkerung ihr Schicksal selbst in die Hand und baute sich eigenen Staatswesen auf. So sollen die stark romanisierten Städte, vielleicht 28 an der Zahl, sogar in London einen König gewählt und einen „Rat der 300“ etabliert haben. Während man in diesen Städten versuchte, das römische Leben, so gut es ging, weiterzupflegen, wurden in vielen Gebieten Britanniens wieder einheimische Traditionen aufgegriffen. Entsprechend alter Überlieferungen und des irischen Vorbilds etablierten sich insbesondere im Norden und Westen keltische Fürsten, die an die Vergangenheit anknüpften. Sie zogen zu den Überresten der seit langen Zeiten ungenutzten britannischen Wallanlagen, bauten sie aus und nutzten sie als Herrschaftssitze. Ebenso griff man auf vorrömische Wirtschaftsformen zurück, indem die Geldwirtschaft aufgegeben wurde und man statt dessen Tauschhandel betrieb. Britannien teilte sich demnach in eine Vielzahl von Herrschaften auf, von denen manche eher römisch, andere traditionell keltisch und dritte als Mischung beider Kulturen existierten. Vom Ausbluten der materiellen römischen Zivilisation künden etliche archäologische Funde, etwa in Gloucestershire im südwestlichen England nahe der walisischen Grenze. Dort existierten einst in der Hügellandschaft der Cotswold Hills über 50 Villen mit ihren Landgütern. Die Villa von Woodchester bestand aus 50 Räumen, ein außerordentlich großes Bodenmosaik kündete vom Reichtum der Bewohner. Spätestens um 450 waren diese Landsitze unbewohnt und damit zum Verfall bestimmt. Der Osten Englands zeichnet sich gleichzeitig durch Schatzfunde von Gold und Silber aus, wie jenen von Water Newton [vgl. oben] – ein deutliches Zeichen unruhiger Zeiten, in denen man mit Überfällen und Plünderungen zu rechnen hatte.“[2]

 

„Römische Truppen hatten die Provinzen mit Militärlagern überzogen, von denen manche auch als Zentren der zivilen Verwaltung dienten. Einige Punkte an den Küsten der Nordsee und des Ärmelkanals hatten sie seit dem 4. Jahrhundert befestigt gegen Piraten, für die der allgemeine Name Sachsen in Gebrauch stand. Im Amtsrömisch hieß das Befestigungssystem Litus Saxonicum, die Sachsenküste. Die Mauern blieben vorerst stehen – [….] Aber nach dem Truppenabzug dienten dort nur noch wenige Soldaten, so dass die Piraten wieder ohne größere Gefahren für sie selbst plündern konnten. Schmerzhafter noch als die Nadelstiche der sächsischen Piraten waren für die Bewohner des römischen Britannien die wirtschaftlichen Folgen des Truppenabzugs. Denn mit den Legionären verließen auch die römischen Steuerbeamten die Insel, die Geld zur Unterhaltung der Truppen verteilten. Dieses Geld stammte zwar zu einigen Teilen aus den Provinzen selbst, zu anderen aber auch aus der Zentrale. Der Zufluss an Geld aus Rom blieb nun aus, zum Nachteil der britannischen Wirtschaft. Handwerk und Handel hatten das Nachsehen, in den zu Städten angewachsenen Militärlagern herrschte Krise. Honorius hatte kein soziales Netz hinterlassen und schon gar keine Vorsorge für Notzeiten getroffen. Da die Bewohner der Städte mit Verwaltung, Handwerk und Handel ihr Geld verdient hatten, brachen nunmehr die wirtschaftlichen Grundlagen für das Leben in vielen Städten weg. Wer konnte, zog als Gutsherr aufs Land, wer nicht, richtete sich zwischen den allmählich verfallenden Gebäuden ein und betrieb Ackerbau. Die Städte verödeten zu Steinbrüchen für neue Gebäude irgendwo. Zentrale Regierung und Verwaltung für die Provinzen verschwanden, örtliche Herrschaftsträger übernahmen die Kontrolle der noch bestehenden Herrschafts- und Verwaltungseinrichtungen. Lokale Christengemeinden blieben bestehen, aber die zentrale Kirchenorganisation für Britannien brach zusammen. Über einigen Fernstraßen, manchen Straßen und Theatern in den Städten wuchs langsam Gras.“ […]
„Dennoch stützen archäologische Funde keineswegs die allgemeine Behauptung, der sich auch der Benediktinermönch und Historiker Beda verschrieb, dass nämlich das römische Reich in Britannien gewissermaßen in einer großen Katastrophe zusammengebrochen sei. Im Gegenteil legen archäologische Funde nahe, dass mindestens in Teilen Britanniens und während des 5. Jahrhunderts Herrschaftsinstitutionen fortbestanden und örtliche britisch-keltische Gruppen mit Siedlern kontinentaler Herkunft vielfältige Formen von Zusammenarbeit pflegten.“ [3]

 

Nur wenige Jahre später jedoch entschied sich der britannische König Vortigern für ein anderes Vorgehen: Er heuerte sächsische Söldner für die Verteidigung Britanniens an. Mit seinem Erscheinen beginnt die Grauzone zwischen Historie und Mythos. Es ist der Beginn der Artuslegende.

 

Gaius Julius Caesar, geboren 13.06.100 v.u.Z., gestorben 15.03.44 u.Z.
römischer Staatsmann, Feldherr, Autor
u.a. „De bello Gallico“, vollständig erhalten (aufbewahrt wo?)

Publius Cornelius Tacitus, geboren um 58 u.Z., gestorben um 120 u.Z.
römischer Senator, Historiker
u.a. „Annalen“, „Historien“, „Germania“, „Agricola“

Lucius Cassius Dio, geboren um 163 u.Z., gestorben um 235 u.Z.
römischer Senator, Konsul und Geschichtsschreiber
u.a. „Römische Geschichte“

 

Dark Ages

 

Und nun befinden wir uns auch schon mitten drin in den sogenannten „Dark Ages“. Als Dark Ages, „Dunkle Zeitalter“, bezeichnet man Zeiträume, aus denen es kaum schriftliche Zeugnisse oder archäologische Funde gibt, an Hand derer man die Geschehnisse dieser Jahre rekonstruieren könnte. In Britannien ersteckten sie sich über einen Zeitraum von 150 bis 200 Jahren, also etwa von 400 bis 600. Gemeinhin wird als Beginn das Datum 448 angegeben, das Jahr, in dem die Britannier sich zum letzten Mal an Rom wandten und den Feldherrn Aetius um militärische Hilfe baten, um sich gegen die eindringenden Scoten und Pikten so  wie auch der zunehmend vom Kontinent einfallenden Kriegerhorden von Sachsen, Angeln und Jüten zu erwehren. In diesem Jahr gaben die Römer Britannien endgültig auf, es gehörte nicht mehr zum Imperium und die Insulaner waren fortan auf sich selbst gestellt.
Die Infrastruktur sowie die gesellschaftlichen und sozialen Strukturen, welche die Römer auf der Insel seit der Eroberung durch den römischen Kaiser Claudius im Jahr 43 installiert hatten, zerfielen zusehends. Die dürftigen archäologischen Funde aus dieser Zeit belegen diesen Verfall. Ganze Städte wie auch Villen und Landgüter, Militärlager und Forts wie am Hadrianswall wurden nach und nach aufgegeben und verlassen. Aus Grab- und Siedlungsfunden lässt sich zeitgleich eine Besiedlung durch germanische Stämme ableiten. Die schriftlichen Quellen hingegen versiegen nahezu vollständig. Von spätantiken kontinentalen Geschichtsschreibern nach Tacitus und Cassius Dio erfahren wir kein Wort mehr. Es ist, als wäre Britannien aus Raum und Zeit gefallen.

 

Bleiben uns nur noch die Gelehrten der Insel, von denen die meisten jedoch erst viel später von dieser Zeit berichteten. Gildas schrieb sein Geschichtswerk über „Fall und Aufstieg Britanniens“ im Jahre 547, war immerhin noch Zeitzeuge des Dunklen Zeitalters.
Beda hingegen hat das Wesentliche von Gildas übernommen und schrieb zu einer Zeit als bereits sächsische Könige in Britannien an der Macht waren und das Christentum sich erneut etabliert hatte. Nennius mit seiner Ausführung der 12 Schlachten eines Königs Arthur führt uns bereits in das Land der Mythen und Legenden. Und Geoffrey von Monmouth schreibt als Untertan eines normannischen Herrscherhauses und erfindet eine vollendete Biografie des Königs Artus und eine Geschichte Britanniens seit Troja. Bei ihm findet sich nur noch wenig Wahrheit und wir befinden uns endgültig im Reich der Fantasie.
 

Gildas, geboren um 500, gestorben 570
„De excidio et conquestu Britaniae“ – „Über Fall und Aufstieg Britanniens“

 

Beda, geboren 672/73, gestorben 26.05.735
„Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum“ – „Kirchengeschichte des englischen Volkes

Nennius, lebte im 8./ 9. Jahrhundert
„Historia Britonnum“

Geoffrey von Monmouth, geboren um 1100, gestorben 1154/55
„Historia Regum Britanniae“

 

siehe auch Kapitel: Die Mönche und Geoffrey von Monmouth

 

Aus der Zeit der Dark Ages erzählt uns Geoffrey von König Vortigern, der als Hilfe gegen die Angreifer aus dem Norden sächsische Truppen unter den ebenfalls legendären Häuptlingen Hengist und Horsa anwirbt.

 

„Schließlich sieht er sich selbst gezwungen, vor den scharenweise nach Britannien kommenden Sachsen die Flucht nach Wales zu ergreifen. Zu guter letzt kehren des Königs Brüder Constans, Aurelius Ambrosius und Utherpendragon aus der Bretagne zurück, besiegen die Sachsen und vertreiben Vortigern, der in seinem Turm verbrennt. Sein Nachfolger wird Aurelius Ambrosius, der von nun an gegen die germanischen Invasoren streitet – hier wollen wir Geoffrey nicht weiter folgen, der bekanntlich auf Aurelius Ambrosius dessen Bruder Utherpendragon und dann wiederum dessen Sohn Artus folgen lässt. Geoffrey nennt einige seiner Quellen, die sich neben dem ominösen keltischen Buch (vgl. Kap. 5) recht genau festmachen lassen. Darunter ist auch eine Schrift des Klerikers Gildas, und mit diesem kommt man denn doch dem Dark Age sehr nahe.
[…]


Was seine historische Darstellung betrifft, erwähnt Gildas Ereignisse, „die später zum Kernbestand der arthurischen Überlieferung gehören“ (Zimmer 2006, 53). Das betrifft einmal die Anwerbung der Germanen durch Vortigern, was sich in den Worten des britannischen Theologen wie folgt anhört: „Damals waren alle, die an der Ratsversammlung mit dem hochmütigen Tyrannen teilnahmen, mit Blindheit geschlagen; sie holten eine solche Hilfe, dass geradezu zum Untergang der Heimat jener sehr wilden, verbrecherischen Sachsen, die bei Gott und den Menschen verhasst waren, wie Wölfe in Schafpferche auf die Insel gelassen wurden um die Völker im Norden zu vertreiben […] (Ausbüttel, Frank: Die Germanen. Darmstadt 2010,95: Gildas 23, 15-5). Er erwähnt hier und folgend Vortigern mit keinem Wort. Wenn man aber das lateinische Original des hochmütigen Tyrannen (superbus tyrannus) als „hochstehender Herrscher“ versteht […], meint Gildas den König Britanniens. Weniger als zwei Jahre später erzählt der angelsächsische Gelehrte Beda Venerabilis dieses Ereignis erheblich weniger tendenziös, und insbesondere kommen natürlich seine Angelsachsen bzw. Sachsen besser weg: „Man begann nämlich eine Beratung, was zu tun sei, wo Hilfe zu holen sei, um die schweren und sehr häufigen Einfälle der nördlichen Völker zu verhindern oder zurückzuwerfen; und mit ihrem König Vortigern (rex Uurtigern) beschlossen alle, den Stamm der Sachsen aus überseeischen Gebieten zu Hilfe zu rufen“ (Beda Venerabilis,….1. Buch, 14) […]


"Aber Gildas bietet noch Stoff für weitere Spekulation: Am Ende seine historischen Rückblicks erhebt sich britannischer Widerstand gegen die sächsischen Invasoren. Unter dessen Anführern hebt er einen einzigen namentlich hervor: Dies „dux“ (Heerführer) hieß Ambrosius Aurelianus und stammte aus römischem Geschlecht – […] Ambrosius Aurelianus zeichnet neben der edlen Herkunft die Bezeichnung vir modestus aus, der zufolge er ein „bescheidener“ bzw. „ehrbarer Mann“ war. Und er galt offensichtlich als erfolgreicher Heerführer, der seine Krieger zu etlichen Schlachtsiegen über die Sachsen anspornte. Der letzte große Sieg könnte auch sein Verdienst gewesen sein, was aber nicht eindeutig ist. Denn Gildas erwähnt diesen Sieg am badonici montis, am „Berg Badon“, ohne den Heerführer ausdrücklich zu nennen. Jedenfalls soll diese Schlacht im Geburtsjahr des Klerikers stattgefunden haben. Das wäre je nach Berechnung im Jahr 503 oder doch zumindest um 500 gewesen. Sonst lässt sich nichts über die finale Entscheidungsschlacht sagen. Die Örtlichkeit des Waffengangs von „Badon Hill“ ist den nachfolgenden Geschichtsschreibern ein fixer Punkt von geradezu mystischer Qualität. Allerdings verbinden sie diese Geschehen immer mit König Artus. Wie ist der bezeugte Ambrosius Aurelianus einzuschätzen? Etwa als historischer Prototyp (Lacy 1996,6f.) von Geoffreys Aureliua Ambrosius, der in dessen Historia Artus‘ Onkel ist? Oder ist gar Ambrosius Aurelianus selbst die historische Kernfigur, aus der die Sagengestalt Artus erwuchs? Einen anderen berühmten britannischen Führer kennt Gildas jedenfalls nicht. Das älteste Schriftzeugnis zur Artusgeschichte erzählt deren Grundzüge, aber einen König Artus verschweigt es uns.“[4]

 

 

*Walisische Triaden

 

[1] Arnulf Krause, König Artus, Marix Verlag 2020, Seite 117

[2] Arnulf Krause, König Artus, Marix Verlag 2020, Seite 121/122

[3] Harald Kleinschmidt, S. 7 ff.

[4] Arnulf Krause, König Artus, Marix Verlag 2020, Seite ?

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© Sabine Speer